Beethoven und Klöße
von Corina Kolbe
Der aufstrebende Pianist Soheil Nasseri pendelt zwischen Berlin und New York, gibt Solokonzerte in aller Welt. Vor der Krise hat er keine Angst, er begreift sie als Chance.
Soheil Nasseri mag es gern deftig. Beim Mittagessen bestellt er zielsicher Sauerbraten und Klöße. „Vor allem nach ein paar Wochen in den USA sehne ich mich wieder nach solch einem Essen“, gesteht der amerikanische Pianist, der seit fast drei Jahren auch einen Wohnsitz in Berlin hat. Echte deutsche Hausmannskost statt Fusion-Food – den 30-Jährigen interessiert an Deutschland offensichtlich das Beständige. Er begibt sich auf eine nostalgische Spurensuche, um das Land von Beethoven, Schumann und Brahms besser zu verstehen.
Für Musik begeisterte sich Nasseri schon früh. In seinem Kindergarten im kalifornischen Santa Monica habe er immer auf dem Klavier spielen wollen, erinnert er sich. Seine Eltern, aus dem Iran stammende Wissenschaftler, sorgten schließlich dafür, dass er mit fünf Jahren Privatunterricht bekam. Schon damals entdeckte der Junge seine besondere Vorliebe für Beethoven, an der sich seither nichts geändert hat. Bis zum 250. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2020 hat sich Nasseri sogar vorgenommen, seine gesamten Werke mit Klavierbeteiligung aufzuführen.
„Mit 13 Jahren wusste ich bereits, dass ich Konzertpianist werden wollte“, sagt er. Drei Jahre später brach er dann die Schule ab, um sich ganz der Musik zu widmen. „Ich wollte damit gegen Autoritäten rebellieren und mir von niemandem mehr etwas vorschreiben lassen.“ Seine Eltern seien nicht gerade begeistert gewesen, erzählt er. Die Schule hätte ihm nicht mehr genug Zeit zum Üben gelassen.
Nasseri arbeitete in den folgenden Jahren hart an seiner Solistenkarriere und zog mit 20 Jahren nach New York, wo er Schüler des deutschen Pianisten Karl Ulrich Schnabel wurde. Mittlerweile hat er nicht nur in den USA lobende Kritiken bekommen. Nach seinem Europa-Debüt 2004 in Palermo trat er erfolgreich in Großbritannien, Frankreich und Deutschland auf, unter anderem im Konzerthaus Berlin und im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie.
Seit Herbst 2001 hat der junge Pianist bereits 19 verschiedene Solokonzerte gegeben, 28 der 32 Klaviersonaten Beethovens standen auf dem Programm. Neben dem traditionellen Repertoire ist ihm auch die zeitgenössische Musik sehr wichtig. Mehrere Komponisten widmeten ihm Werke, die er zur Uraufführung brachte.
Darunter ist das Stück Skiá des israelisch-palästinensischen Komponisten Samir Odeh-Tamimi, das Nasseri nach der Uraufführung im vergangenen September in New York auch dem Berliner Publikum präsentierte. Ihm ist bewusst, dass ein solches Werk Fragen aufwerfen kann, die über das rein Ästhetische hinausgehen. „Odeh-Tamimi ist politisch sehr engagiert“, betont er. „Ich will mit meinem Spiel die Emotionen des Komponisten ausdrücken, aber keine Botschaften übermitteln.“
In den USA engagiert sich der Künstler dafür, Jugendliche stärker für klassische Musik zu interessieren. Er gründete eine Non-Profit-Stiftung, über die er Projekte mit Schulen in New York und Washington organisiert. Um von den Schülern akzeptiert zu werden, holt Nasseri anfangs ein paar von ihnen auf die Bühne und lässt sie ihre Lieblingsmusik – Hip-Hop oder Rap – aufführen. „Danach hören sie mir ganz aufmerksam zu, wenn ich klassische Stücke spiele“, berichtet er. „Man darf diese Kids eben nicht von oben herab behandeln.“
Soheil Nasseri sieht es letztlich als Vorteil, dass er genug Zeit hatte, sich als Künstler und Mensch weiterzuentwickeln. Manche Leute seien mit 16 weltberühmt geworden und in ihrer menschlichen Entwicklung stehengeblieben, sagt er. „Sie können mit niemandem mehr ein normales Gespräch führen. So wollte ich nie werden.“
Seine Strategie, Soloklavierabende in großen Städten wie New York und Berlin zu geben, sei gut gewesen, sagt er. „Auch künstlerisch habe ich von solchen Auftritten bisher sehr profitiert.“ In Zukunft will er aber auch häufiger mit Orchestern auftreten, wie bereits im vergangenen Jahr mit der Philharmonie der Nationen unter Justus Frantz. Um organisatorische Dinge muss sich Nasseri zumeist selbst kümmern. Hinter ihm steht keine große internationale Plattenfirma, sondern ein unabhängiges Label. Den notwendigen finanziellen Spielraum geben ihm private Sponsoren, die ihn bereits seit Jahren unterstützen.
In den USA seien die Leute eben daran gewöhnt, in vielen Bereichen ohne staatliche Hilfe zurechtzukommen, sagt er. Öffentliche Zuschüsse für die Kultur gebe es so gut wie gar nicht. Dafür könnten Mäzene erhebliche Steuererleichterungen in Anspruch nehmen. Selbst den möglichen weiteren Auswirkungen der derzeitigen Finanzkrise sieht Nasseri gelassen entgegen. Eine solche Krise könne für junge Künstler auch eine Chance sein, glaubt er. Vielleicht werde er nun häufiger für Konzerte engagiert, weil nicht mehr alle Veranstalter die hohen Gagen internationaler Spitzenstars zahlen könnten.
Soheil Nasseri tritt am 17. Januar in Berlin auf. Im Piano Salon Christophori spielt er auf einem historischen Erard-Hammerflügel von 1854 Werke von Beethoven und Schumann.