The Aptos (Kalifornien) Times: Eine leidenschaftsvolle Aufführung Soheil Nasseris

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Eine leidenschaftsvolle Aufführung Soheil Nasseris
Michael Tierra, The Aptos Times – Deutsche Übersetzung:

Die Serie „Ausgewählte Künstler und Vorträge“ vollbrachte mit der Aufführung des iranisch-amerikanischen Pianisten Soheil Nasseri eine kulturelle Großtat. Im Laufe der Jahre war John Orlando mit seiner Serie stets in der Lage, Künstler von höchstem Rang, wie man sie nur in den kulturellen Hauptstädten der Welt wie New York, Paris, London, Berlin oder Mailand, und in einem erstklassigen Konzerthaus sowie auf hervorragenden Instrumenten zu hören erwartet, zu präsentieren.

Während es schon zu Anfang des Programms klar war, dass Nasseri den höchsten Standards, die von vielen hervorragenden Pianisten der Serie im Laufe der Jahre gesetzt wurden, genügte, trat dieses Mal Beethovens Hammerklaviersonate op. 106, die zu der damaligen Zeit die längste jemals komponierte Sonate war und in ihrer 45-minütigen Aufführungsdauer alle erdenklichen menschlichen Emotionen durchspielt, besonders hervor. Hatte ich schon gesagt, dass es sich um eines der schwierigsten Klavierstücke, sowohl technisch als auch interpretativ, handelt?

Die erste Hälfte des Programms bestand aus der Westküsten-Erstaufführung der Sonate Nr. 2 von Hormoz Farhat. Leider stellte es eine Herausforderung für diejenigen dar, die nicht darauf vorbereitet waren, ein unbekanntes modernes Werk zu Beginn des Programms zu hören.

Es folgte eine seltene Aufführung von einigen Novelletten aus op. 21 von Robert Schumann. Diese werden kaum gespielt, denn sie stellen eine anspruchsvolle technische und interpretative Herausforderung dar, die nur wenige Interpreten riskieren wollen.

Wir bekamen dann eine schöne Aufführung der Chopin Fantasie F-moll op. 49. Dieses Stück hatte den vage episodischen Narrativ mit den Stücken Schumanns gemeinsam.

Es scheint keiner zu wissen, wer die erstmalige Aufführung von Beethovens monumentaler Hammerklaviersonate op. 106 bestritt. Anscheinend war der erste wahre Interpret dieses rätselhaften Werkes, der nach Aussage des Komponisten Hector Berlioz 1836 zum ersten Mal ein „unfassbares Werk fassbar machte“, niemand anderer als Franz Liszt.

Es gibt eine anrührende Beschreibung, wie Liszt das berühmte Adagio dieses Werkes spontan bei einem besonderen Treffen von Adligen und hochgeistigen musikalischen Kennern in Wagners geräumiger Wohnbibliothek spielte. Zum Ausklang hin rannte Wagner, völlig außer sich, von der Empore hinab, legte seine Arme um Liszts Hals, schluchzte vor Bewegtheit und dankte ihm für das wundervolle Geschenk, dass ihm zuteil geworden war.

Die Aufführung am Sonntag zeigte, wie Soheil Nasseri mit seiner erstaunlich mühelosen Technik, einem weiten Bereich von ausdrucksvollen Klangfarben und hoher Dynamik eine der leidenschaftlichsten und fesselndsten Aufführungen von Beethovens Hammerklavier mit Hingabe vollbrachte.

Man hat das Gefühl, dass Beethoven die Eindrücke und Erfahrungen seines ganzen Lebens in ein 45-minütiges 4-sätziges Werk packen wollte. Wenn es nicht gut aufgeführt wird, scheint es die Tendenz zu haben, manchmal ziellos umherzuschweifen.

Ich habe zahlreiche Interpretationen des Werkes, sowohl im Konzert als auch als Plattenaufnahme, sogar einige weitere Aufnahmen nach Nasseris Aufführung am Sonntag gehört, aber keine kam auch nur annähernd an diese einzigartige Leistung heran.

Fast gleichzeitig mit dem Ausklang der letzten Note des letzten Absatzes der Fuge erhob sich das Publikum mit donnerndem Applaus.

Zugabe? Nun, es machte den Anschein, dass nur eine beruhigende, glaubensbekennende Aufführung einer Bearbeitung des berühmten „Jesu, meine Freude“ diesem Meisterwerk gerecht werden kann, welches laut Nasseri Beethovens persönliche Verehrung für J. S. Bach widerspiegelt.